1.1 Chylomikronämie
Fettstoffwechselstörungen, die Bauchschmerzen bereiten können
Fallbeschreibung
In der Praxis stellt sich ein 34jähriger Patient vor, der klagt, am gestrigen Tag und auch noch im Laufe des heutigen vormittags starke krampfartige Bauchschmerzen gehabt zu haben. Auf Befragen gibt er an, dass er vor zwei Tagen an der Geburtstagsfeier für seinen Vater teilgenommen hatte und sehr viel alkoholische Getränke zu sich genommen und gut und viel gegessen zu haben. Aufgrund der starken Bauchschmerzen hatte er seit gestern nichts mehr gegessen, nur etwas Tee getrunken. Bei der klinischen Untersuchung fand sich ein 34jähriger Patient in gutem Allgemeinzustand, Größe 180 cm, Gewicht 88 kg. Blutdruck 160 / 95 mmHg, Pulsfrequenz 76/Min. Herzaktion regelmäßig, kein Pulsdefizit. Bei der Untersuchung des Abdomens kein wesentlich auffälliger Befund, zum jetzigen Zeitpunkt kein Druckschmerz, nur lebhafte Darmgeräusche auskultierbar. Die sofort durchgeführte Bestimmung der Leukozyten ergab mit 8500 G/l und für die alpha-Amylase mit 180 U/l einen unauffälligen Befund. Nachdem die Beschwerden nicht mehr persistieren, wurde zur weiteren Diagnostik eine Bestimmung der Leberwerte, der Nierenfunktionsfunktion und der Blutfette veranlasst und der Patient für nächsten Morgen wieder einbestellt.
Diagnostik und Befunde
Bei Wiedervorstellung des Patienten konnte ihm eröffnet werden, dass bei ihm eine erhebliche Fettstoffwechselstörung vorliegt. Es zeigte sich eine Triglyceridkonzentration von 4700 mg/dl, das Cholesterin lag bei 1100 mg/dl, HDL-Cholesterin bei 26 mg/dl und LDL-Cholesterin bei 106 mg/dl. Nachdem der Patient bereits 36 Stunden Nahrungskarenz eingehalten hatte, konnte davon ausgegangen werden, dass zum Zeitpunkt der abdominellen Beschwerden die Triglyceridkonzentrationen etwa um das 2,5fache höher gewesen, also mindestens bei 10 000 mg/dl gelegen war. Das konnte daraus geschlossen werden, da bei Nahrungskarenz eine deutlich erhöhte Triglyceridkonzentration sich durchschnittlich pro Tag um 50 % verringert.
Aufgrund der Vorgeschichte und der erhobenen Blutfettbefunde konnte die Diagnose einer Chylomikronämie mit krampfartigen Bauchbeschwerden gestellt werden. Die krampfartigen Bauchbeschwerden sind durch Mikrozirkulations-störungen (aufgrund der sehr hohen Triglyceridkonzentration) im Bereich des Dünndarms zurückzuführen. Auf Befragung gab der Patient weiter an, dass auch bei seinem Vater eine Fettstoffwechselstörung bekannt sei, die aber nichts mit dem Cholesterin zu tun hätte, sondern mit einer anderen Blutfettart. Aufgrund der Angaben konnte geschlossen werden, dass bei dem Patienten eine familiäre Hypertriglceridämie vorliegt, die durch einen Alkohol und Kalorien-Exzeß in eine Chylomikronämie konvertiert war.
Therapie
Zur Vermeidung einer erneuten Exazerbation wurde dem Patienten dringend geraten, erstens sein Gewicht zu normalisieren, weiters auf Alkohol zu verzichten und die Zufuhr rasch resorbierbarer Kohlenhydraten einzuschränken. Diese diätetischen Maßnahmen stehen in der Behandlung der Fettstoffwechselstörung mit erhöhten Triglyceriden eindeutig an erster Stelle, Medikamente sind bei sehr hohen Triglyceridkonzentration selten hinreichend wirksam und können eine Exazerbation aufgrund fehlerhafte Nahrungsexzesse nicht verhindern.
Nach einer Woche stellte sich der Patient unter entsprechender Diät zu einer Kontrolluntersuchung vor. Es zeigten sich folgende Lipidwerte: Serumcholesterin 430 mg/dl, Serumtriglceride 420 mg/dl, HDL-Cholesterin 30 mg/dl, LDL-Cholesterin 302 mg/dl. Diese Befunde würden eigentlich auf das Vorliegen einer gemischten Hyperlipoproteinämie mit Führen einer LDL-Hypercholesterinämie hinweisen. Aus der Vorgeschichte konnte jedoch eindeutig diagnostiziert werden, dass es sich um die Abklingphase einer schweren Hypertriglyceridämie handelt. Die aus der Leber freigesetzten Very low density Lipoproteine (VLDL) werden im Blut über Lipoprotein e intermediärer Dichte (IDL) zu LDL umgewandelt. Daher ist es verständlich, dass in der Abklingphase einer schweren Hypertriglyceridämie das LDL-Cholesterin vorübergehend ansteigt und daher auf keinen Fall die Diagnose einer LDL-Hypercholesterinämie gestellt werden darf. Dies zeigte sich auch bei einer weiteren Kontrolle nach acht Wochen, der Patient hatte inzwischen ein Körpergewicht um 80 kg erreicht, es fanden sich nun eine Triglyceridkonzentration von 230 mg/dl , HDL-Cholesterin von 35 mg/dl und das LDL-Cholesterin lag bei 135 mg/dl. Der Patient ist damit in der Lage mit diätetischen Maßnahmen seine Hypertriglyceridämie sehr gut zu kompensieren.
DiskussionAbbildung 1
Wahrscheinlich geht diese Fettstoffwechselstörung, die familiäre Hypertriglyceridämie, mit keinem wesentlich erhöhten kardiovaskulären Risiko einher, in erster Linie geht es in der Therapie um Vermeidung einer akuten Exazerbation mit dem Auftreten einer Chylomikronämie. Diese Chylomikronämie ist besonders gefährlich, da es dadurch zu einem Anstieg der Plasmaviskosität kommt und dadurch unter Umständen eine schwere Pankreatitis ausgelöst werden kann.
Abdomielle Schmerzen können, wie im vorliegenden Fall, auch durch Mikrozirkulationsstörungen im Bereich des Dünndarms oder durch eine Leber- und Milzkapselspannung verursacht werden, da das retikuloendotheliale System versucht, die Chylomikronen durch Phagozytose zu eliminieren. Andere klinische Symptome sind eruptive Xanthome (Abb.1), Parästhesien und Störungen des Kurzzeitgedächtnisses.
Abbildung 2Bei vorbestehener Atherosklerose kann durch die deutliche Viskosität Erhöhung des Blutes z.B. eine Angina pectoris oder auch eine Durchblutungsstörung im Bereich des Gehirns ausgelöst werden. Solche akuten Komplikationen treten ab Triglyceridkonzentrationen von etwa 1000 mg/dl auf, sind aber insgesamt gesehen bei den betroffenen Patienten relativ selten. Die Diagnose kann durch den sogenannten Kühlschranktest gestellt werden, dabei wird das Plasma oder das Blut einige Stunden bei 4° Celsius stehen gelassen, dann rahmen die Chylomikronen ab und die Diagnose kann eindeutig gestellt werden (Abb. 2).
Zu beachten ist, wenn eine Chylomikronämie vorliegt, dass bestimmte Serumparameter falsch niedrig bestimmt werden, da die Chylomikronen einen erheblichen Anteil des wässrigen Anteils des Blutes einnehmen. Pro 1000 mg/dl Triglyceride sind die Werte z.B. für die Elektrolyte, insbesondere Kalium, um 3-5 % nach oben zu korrigieren. Bei dem Patienten würde also eine Kaliumkonzentration von 2,5 mmol/l noch keine Hypokaliämie anzeigen, sondern allenfalls eine grenzwertige Kaliumkonzentration. Es ist darauf hinzuweisen, dass die alpha-Amylase kein guter Parameter zur Diagnostik einer Pankreatitis ist, kommt doch in etwa zwei Drittel der Fälle ein Inhibitor der alpha-Amylase vor.
Man muss also zur Diagnostik der akuten Pankreatitis die Lipase verwenden, oder technische Verfahren. Aus diesem Grunde wurde bei dem Patienten auch die Lipase nachbestimmt und zusätzlich eine Sonographie des Pankreas durchgeführt werden. Beide Befunde waren normal. Auf eine Abdomenleeraufnahme zur Feststellung von Pankreasverkalkungen (mit der Frage ob bereits eine Pankreatits abgelaufen war) wurde verzichtet, da es typischerweise bei durch Hypertriglyceridämie induzierten Pankreatitiden zu keinen Verkalkungen kommt. Dies kann sogar differentialdiagnostisch gegenüber der Alkohol induzierten Pankreatitis eingesetzt werden.
Fazit für die Praxis
Die früher als Typ V Hyperlipoproteinämie bezeichneten erworbenen Chylomikronämien sind keine pathogenetische Einheit, sondern es handelt sich dabei um andere Fettstoffwechselstörungen wie die familiäre Hypertriglyceridämie (wie beim geschilderten Patienten), die familiäre Dysbetalipoproteinämie (früher Typ II Hyperlipoproteinämie nach Fredrickson) oder die familiär kombinierte Hyperlipidämie, die durch Nahrungsexzesse exazerbieren.
Die weitere Prognose liegt in den Händen des Patienten, da sich jeder Ernährungsfehler auf die Triglyceridkonzentration auswirkt. Nach massiver Zufuhr von Alkohol und rasch resorbierbaren Kohlenhydraten ist mit einer Exazerbation der Triglyceride zu rechnen. Eine angepasste Ernährung mit Verzicht auf Alkohol und einfache zuckerhaltige Getränke sowie die Verteilung der Mahlzeiten über den Tag (sechs kleiner Mahlzeiten) helfen in den meisten Fällen, schwere akute Komplikationen zu verhindern.
1.2 Generalisierte Atherosklerose ohne Risikofaktor?
Familiären Dysbetalipoproteinämie (früher Typ III Hyperlipoproteinämie nach Fredrickson)
Fallbeschreibung
Eine 50-jährige Patientin wurde nach einer transienten ischämischen Attacke zur weiteren Abklärung ins Krankenhaus eingeliefert. Die dopplersonograpische Untersuchung der hirnversorgenden Arterien zeigte eine hochgradige Stenose der A. carotis interna rechts. In der Familienvorgeschichte fanden sich keine Schlaganfälle oder Herzinfarkte. Der Blutdruck wäre nie erhöht gewesen, auch während des stationären Aufenthalts lag er mit Werten um 140/85 mmHg im Normbereich. Das Körpergewicht betrug bei einer Größe von 162 cm 67 kg.
Diagnostik und Befunde
Die Bestimmung der Blutfettwerte ergab folgenden Befund:
- Gesamtcholesterin: 271 mg/dl
- Serumtriglyceride: 265 mg/dl
- HDL-Cholesterin: 46 mg/dl
- LDL-Cholesterin: 172 mg/dl
Man war sich einig, dass eine so mäßige Erhöhung von Cholesterin und Triglyceriden für das frühzeitige Auftreten einer Stenose an den hirnversorgenden Arterien nicht verantwortlich sein kann. Daher wurde zusätzlich die Bestimmung von Lipoprotein (a), Fibrinogen und Homocystein veranlasst, es ergab sich jedoch jeweils ein Normalbefund.
Aufgrund des Vorhandenseins einer klinisch bedeutsamen atherosklerotischen Läsion wurden natürlich auch andere Stromgebiete auf entsprechende Veränderungen untersucht. Dabei fand sich bei der dopplersonographischen Messung ein deutlich abgeschwächter Blutdruck am linken Bein (90 mmHg systolisch) und bei der Ergometrie zeigten sich bereits bei einer Belastung von 75 Watt signifikante ST-Streckenveränderungen über der Hinterwand. Die koronare Herzkrankheit wurde dann angiographisch gesichert, es zeigte sich eine 75%ige Stenose im Bereich der linken Koronararterie. Auf gezieltes Befragen gab die Patientin an, dass etwa nach 1 km Gehen Schmerzen im linken Bein auftraten, die jedoch nach kurzem Stehenbleiben wieder verschwanden, und zweimal hätte sie bei raschem Treppensteigen ein Engegefühl in der Brust gehabt, das sie jedoch als Atemnot bei Belastung interpretierte. Ansonsten war die Anamnese leer, die Patientin gab nur an 15 Jahre lang die „Pille“ eingenommen zu haben und einmal wären an beiden Ellenbogen Hautveränderungen aufgetreten, die wie eine Schuppenflechte ausgesehen hätten. Nachdem sie aber nicht größer geworden und nach 8 Wochen wieder verschwunden sind, hätte sie diese nicht ernst genommen.
Es lag bei der 50-jährigen Patientin also ein generelles Atheroskleroseleiden vor, ohne dass dafür eine Familienvorgeschichte bestand oder dass gravierende Risikofaktoren gefunden werden konnten.
Der einzige, wenn auch gering auffällige Befund waren die gering veränderten Blutfettwerte. Man entschloss sich daher, eine Wiederholung der Werte durchzuführen und eine Lipidelektrophorese vornehmen zu lassen. Vom Labor kam nun folgender Befund zurück:
- Serumcholesterin: 287 mg/d
- Serumtriglyceride: 272 mg/dl
- HDL-Cholesterin: 47 mg/dl
- LDL-Cholesterin: 124 mg/dl
- Breite Betabande in der Lipidelektrophorese
Dieser Befund spricht für das Vorliegen einer familiären Dysbetalipoproteinämie (früher Typ III Hyperlipoproteinämie nach Fredrickson). Das LDL-Cholesterin musste nach Ultrazentrifugation bestimmt werden, da bei dieser Fettstoffwechselstörung die Formel nach Friedewald zur Errechnung des LDL-Cholesterins nicht angewandt werden kann.
Diskussion
Damit war die Ursache für die generelle Atherosklerose klar. Die familiäre Dysbetalipoproteinämie geht nämlich mit einem hohen Risiko für das Auftreten der koronaren Herzkrankheit, aber auch von Stenosen im Bereich der Hirn- und Beinversorgenden Arterien einher. Die Manifestation dieser Komplikationen tritt häufig vor dem 50. Lebensjahr auf. Trotz nur geringer Erhöhung von Triglyceriden und Cholesterin kommt es zu einem massiven Anstieg des Atheroskleroserisikos. Die Störung ist relativ selten, jeder 10 000. in unserer Bevölkerung hat eine familiäre Dysbetalipoproteinämie. Ihrer frühzeitigen Erkennung kommt jedoch aufgrund des extrem hohen Atheroskleroserisikos große Bedeutung zu. Die Familienanamnese für Atherosklerose ist, im Gegensatz zu allen anderen genetisch bedingten Fettstoffwechselstörungen mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko, leer. Hinweisend ist jedoch eine gleich stark ausgeprägte Erhöhung von Cholesterin und Triglyceriden (Quotient 0,8 – 1,2). Dies gilt jedoch nur, wenn die Konzentrationsangaben in mg/dl verwendet werden (bei Angaben in mmol/l ist die prozentuale Differenz zum oberen Grenzwert bei Cholesterin und Triglyceriden vergleichbar groß).
Die Diagnose „familiäre Dysbetalipoproteinämie“ läßt sich weitgehend durch das Vorliegen der breiten Betabande in der Lipidelektrophorese sichern, beweisend ist das Vorliegen des Apolipoprotein-E-Phänotyps E 2/2 (kann in Speziallaboratorien durchgeführt werden). Die Veränderung von Apolipoprotein E spielt bei dieser Fettstoffwechselstörung nämlich die entscheidende Rolle. Es ist Bestandteil der Abbauprodukte der triglyceridreichen Chylomikronen und der Very low density-Lipoproteine (VLDL), nämlich der Chylomikronen-Remnants und der Intermediate density-Lipoproteine (IDL). Beide Partikel binden mit ihrem Apolipoprotein E-Anteil an die Leberzelle und können dadurch in die Zelle eingeschleust werden. Bei der familiären Dyslipoproteinämie ist durch den Austausch von einer Aminosäure die Bindungsfähigkeit an die Leberzellen auf unter 1 % reduziert, entsprechend können die Apolipoprotein-E-haltigen Lipoproteinpartikel nur vermindert verstoffwechselt werden. Allerdings reicht das Vorliegen des Apolipoprotein E 2/2-Phänotyps noch nicht aus, um zum Anstieg der Cholesterin- und Triglyceridkonzentration im Blut zu führen. Erst wenn das Stoffwechselsystem z. B. durch vermehrte Zufuhr von Fett, gesättigten Fettsäuren, der Entwicklung von Übergewicht, das Auftreten eines Diabetes mellitus oder durch die exogene Zufuhr von Östrogenen überlastet wird, tritt die Manifestation der familiären Dysbetalipoproteinämie ein. Nur jedes 10. Individuum mit dem Apolipoprotein-E-Phänotyp E 2/2 entwickelt daher eine manifeste familiäre Dysbetalipoproteinämie.
Bei der besprochenen Patientin war das zunehmende Übergewicht und die dazu führende hyperkalorische, fettreiche Ernährung der Manifestationsfaktor. Möglicherweise war die Ausprägung vor der Menopause schwerer, da mit der „Pille“ Östrogene zugeführt worden waren. Die von der Patientin an den Ellenbogen berichteten Hautveränderungen sind als tubero-eruptive Xanthome zu interpretieren. Sie treten bevorzugt ventral über den Kniegelenken oder an den Ellenbogen auf. Weitere klinische Symptome können Handlinienxanthome sein, die Handlinien erscheinen bräunlich.
Warum ist die Familienanamnese für atherosklerotische Komplikationen leer? Ein Allel des Apolipoprotein E wird vom Vater, eines von der Mutter vererbt. Das häufigste Allel ist E 3. Die Wahrscheinlichkeit, dass Vater und Mutter den Phänotyp E 2/3 oder auch E 2/4 hatten, ist wesentlich größer, als dass bereits ein Elternteil auch E 2/2 (nur 1 % in der Bevölkerung), also eine familiäre Dysbetalipoproteinämie, gehabt hätte.
Therapie
Was kann nun therapeutisch getan werden? Es gilt natürlich, den Manifestationsfaktor auszuschalten. Die Verminderung des Übergewichts und eine Verbesserung der Ernährung sind hier von essentieller Bedeutung. Daher erhielt die Patientin eine Beratung und Schulung für fettmodifizierte Ernährung, die in ihrem Energiegehalt, um Gewicht zu reduzieren, bedarfsangepaßt war. Die Prinzipien einer fettmodifizierten Ernährung sind:
- Kohlenhydrate: 50 – 60 %
- Eiweiß: 10 – 20 %
- Fett < 30 %
- gesättigte Fettsäuren
- einfach ungesättigte Fettsäuren
- mehrfach ungesättigte Fettsäuren
- Ballaststoffe: 35 g/Tag
- Cholesterin: < 300 mg/Tag
Unter konsequenter fettmodifizierter Ernährung konnten Cholesterin und Triglyceride auf Werte um 200 mg/dl gesenkt werden. Da bereits eine atherosklerotische Komplikation vorlag, wurde zusätzlich ein Fibrat verabreicht, das die Triglyceride auf 113 mg/dl senkte. Therapieziel bei der familiären Dysbetalipoproteinämie ist eine Triglyceridkonzentration möglichst unter 120 mg/dl. Alternativ hätten Nikotinsäurederivate, CSE-Hemmer oder Fischöle eingesetzt werden können.
Die rechtzeitige Diagnose und konsequente Therapie hätte bei dieser Patientin die schweren atherosklerotischen Komplikationen verhindern können.
1.3 Vorliegen einer familiären heterozygoten Hypercholesterinämie?
Fallbeschreibung
Patient W. K., männlich, 26 Jahre alt, keine familiäre Vorbelastung für die koronare Herzkrankheit. Die Mutter hat erhöhte Cholesterin-Konzentrationen. Keine sonstigen Risikofaktoren für die koronare Herzkrankheit, allerdings nur wenig Sport.
Der Patient hat folgende Lipidparameter:
- Cholesterin: 429 mg/dl
- LDL-Cholesterin: 360 mg/dl
- HDL-Cholesterin: 45 mg/dl
- Triglyceride: 133 mg/dl
Fragen Kann es sich bei der vorliegenden Konstellation um eine familiäre heterozygote Hypercholesterinämie handeln?
Welches Therapieziel ist anzustreben?
Diagnostik und Befunde
Aufgrund der hohen LDL-Cholesterin-Konzentration liegt entweder eine heterozygote familiäre Hypercholesterinämie oder ein familiär defektes Apolipoprotein B-100 vor. Dies könnte durch eine Analyse der LDL-Rezeptor-Aktivität abgeklärt werden. Das therapeutische Vorgehen hängt jedoch nicht von diesem Ergebnis ab; das Risiko wird in jedem Fall durch die Höhe des LDL-Cholesterins bestimmt. Die negative Familienanamnese hinsichtlich KHK schließt das Vorliegen einer „familiären“ Form der Hypercholesterinämie nicht aus. Einerseits kann es möglich sein, dass die Mutation im LDL-Rezeptor-Gen (familiäre Hypercholesterinämie) oder im Apolipoprotein-B-100-Gen (familiär defektes Apolipoprotein B-100) erstmals beim Patienten aufgetreten ist. Andererseits weist jedoch die Mutter erhöhte Cholesterin-Werte auf. Es kann daher sein, dass sie noch zu jung ist, um bereits die Konsequenz der familiären Hypercholesterinämie, eine KHK, erlebt zu haben und/oder dass ihre Fettstoffwechselstörung ausreichend gut therapiert ist. Bei Frauen mit einer familiären heterozygoten Hypercholesterinämie liegt das Hauptmanifestationsalter der KHK zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr, bei Männern bereits zwischen dem 45. und 60. Lebensjahr.
Therapie
Bei Vorliegen einer familiären heterozygoten Hypercholesterinämie oder eines familiär defekten Apolipoprotein B-100 mit LDL-Cholesterin-Werten über 250 mg/dl empfiehlt die Europäische Arteriosklerose Gesellschaft einen LDL-Cholesterin-Wert unter 135 mg/dl anzustreben. Dieses Therapieziel kann nur unter Verwendung eines hochwirksamen CSE-Hemmers, gegebenenfalls in Kombination mit einem Gallensäurenaustauscherharz, erreicht werden. Eine lebenslange Therapie ist erforderlich
1.4 Weitgehend normaler Lipid-Status – und dennoch ausgeprägte Atherosklerose?
Fallbeschreibung
Eine 51jährige Patientin kam nach vierfacher Bypass-OP zur Weiterbetreuung in meine Praxis. Sie hatte zusätzlich eine 50%ige Stenose der A. carotis interna links. Außerdem klagt sie über Schmerzen im rechten Bein nach einer Gehstrecke von 500 m.
Der Patient hat folgende Lipidparameter:
- Gesamtcholesterin: 270 mg/dl
- Triglyceride: 260 mg/dl
- HDL-Cholesterin: 43 mg/dl
- LDL-Cholesterin: 175 mg/dl
Fragen
Erklärt der Lipidbefund die ausgeprägte Atherosklerose?
Diagnostik und Befunde
Auf den ersten Blick ist das LDL-Cholesterin nur gering erhöht; der LDL/HDL-Cholesterin-Quotient liegt mit 4 ebenfalls nur mäßig oberhalb des Normbereichs. Damit wäre eine so ausgeprägte Atherosklerose in diesem Alter nicht erklärbar. Auffällig jedoch: Cholesterin und Triglyceride sind gleich stark erhöht – ein Hinweis auf familiäre Dysbetalipoproteinämie (früher auch Typ-III-Hyperlipoproteinämie). Diese Fettstoffwechselstörung ist mit einem extrem hohen kardiovaskulären Risiko verbunden. Zu atherosklerotischen Komplikationen kommt es oft noch vor dem 50. Lebensjahr. Fällt also eine gleichzeitige Erhöhung von Cholesterin und Triglyceriden auf (Quotient Cholesterin zu Triglyceriden 0,8 bis 1,2) muss man an das Vorliegen einer familiären Dysbetalipoproteinämie denken und zur weiteren Abklärung eine Lipoprotein-Elektrophorese durchführen. Die breite Beta-Bande bestätigt dann den Verdacht.
Bei der Patientin wurde die breite Beta-Bande nachgewiesen; außerdem fand sich der Apolipoprotein-E-Phänotyp E 2/2. Typisch für diese Fettstoffwechselstörung ist eine unauffällige Familienanamnese. Denn die Apolipoprotein-E-Phänotypen E 2/3 und 2/4 sind wesentlich häufiger als E 2/2 (Verhältnis ca. 20:1). Daher ist die Wahrscheinlichkeit viel größer, dass die Eltern jeweils einen Phänotyp 2/3 oder 2/4 haben und sich bei ihnen keine Dysbetalipoproteinämie manifestiert. Das Vorliegen des Apolipoprotein-E-Phänotyps reicht jedoch noch nicht aus, um die Fettstoffwechselstörung manifest werden zu lassen. Erst die Überlastung des Stoffwechsels durch ungünstige Ernährung, Übergewicht oder Diabetes mellitus führt zum Anstieg von Cholesterin und Triglyceriden. Das LDL-Cholesterin darf bei Vorliegen der familiären Dysbetalipoproteinämie nicht mit der Formel nach Friedewald errechnet werden, da die Zusammensetzung der triglyceridreichen Partikel verändert ist und der Divisor der Triglyceride nicht die tatsächliche Stoffwechselsituation wiedergibt.
Therapie
Therapeutisch kommen bei dieser Patientin diätetische Maßnahmen in Frage. Durch fettmodifizierte Ernährung können Cholesterin und Triglyceride um etwa 20% gesenkt werden. Zusätzlich kann die Gabe von Fibraten, CSE-Hemmern, Nikotinsäure oder Fischöl angezeigt sein. Ziel ist eine Triglycerid-Konzentration eindeutig unter 150 mg/dl.
1.5 Therapieentscheidung aufgrund des LDL/HDL-Cholesterin-Verhältnisses bei ausgeprägter Hypertriglyceridämie?
Fallbeschreibung
38jähriger Patient, keine Eigen- oder Familienanamnese für koronare Herzkrankheit. Als Zufallsbefund ergab sich folgender Lipidstatus:
- Gesamtcholesterin: 270 mg/dl
- Triglyceride: 260 mg/dl
- HDL-Cholesterin: 43 mg/dl
- LDL-Cholesterin: 175 mg/dl
Bei dem Patienten besteht offensichtlich eine dringende Indikation zur Therapie, da das Gesamt-/HDL-Cholesterin-Verhältnis mit 7,9 deutlich zu hoch ist.
Diagnostik und Befunde
In der Praxis hat es sich bewährt, zur Risikoabwägung das LDL/HDL-Cholesterin-Verhältnis zu errechnen. Dies liegt daran, dass es schon bei mäßiger Hypertriglyceridämie zu einem Anstieg des Gesamt-/HDL-Cholesterin-Quotienten kommt; in dieser Situation sagt der Quotient nichts über das kardiovaskuläre Risiko aus. Wenn die Triglyceride aber ausgeprägt erhöht sind, macht es keinen Sinn, eine Therpieentscheidung aufgrund des LDL/HDL-Cholesterin-Verhältnisses bezüglich des kardiovaskulären Risikos zu treffen. Ausschlaggebend ist vielmehr die Frage nach dem familiären Risiko. Ist die Familienvorgeschichte für die koronare Herzkrankheit positiv, dann muß auch eine gering ausgeprägte Hypertriglyceridämie behandelt werden. Tritt die Hypertriglyceridämie im Rahmen eines Diabetes mellitus auf, ist ebenfalls eine konsequente Therapie einzuleiten. Ansonsten ist davon auszugehen, dass eine familiäre Hypertriglyceridämie mit niedrigem kardiovaskulären Risiko vorliegt.
Hier geht es aber darum, durch die Therapie einen weiteren Anstieg der Triglyceride über 1000 mg/dl zu vermeiden. Durch eine so stark ausgeprägte Hypertriglyceridämie kann bei bestimmten Patienten eine u.U. lebensbedrohliche Komplikation, nämlich eine akute Pankreatitis, ausgelöst werden.
1.6 Vorliegen einer familiären kombinierten Hyperlipidämie?
Fallbeschreibung
Eine 52jährige Frau suchte meine Praxis auf, weil drei ihrer Brüder im Alter zwischen 45 und 55 Jahren an einem Herzinfarkt verstorben sind. Ihr Hausarzt hatte schon einmal die Blutfette überprüft und folgende Werte gemessen:
- Cholesterin: 234 mg/dl
- Triglyceride: 201 mg/dl
- HDL-Cholesterin: 50 mg/dl
- LDL-Cholesterin: 144 mg/dl
Der Arzt habe ihr gesagt, es bestehe kein erhöhtes Risiko. Stimmt das? Ich konnte die Werte in etwa bestätigen.
Diagnostik und Befunde
Familienanamnese und Lipidbefund legen den Verdacht auf eine familiäre kombinierte Hyperlipidämie nahe. Typisch für diese Fettstoffwechselstörung ist ein extrem hohes kardiovaskuläres Risiko; die Infarkte treten unbehandelt in der Regel vor dem 50. Lebensjahr auf. Charakteristisch ist auch, dass Cholesterin und/oder Triglyceride nur mäßig erhöht sind.
Die familiäre kombinierte Hyperlipidämie ist die häufigste Fettstoffwechselstörung bei Patienten mit manifestem Herzinfarkt. Bei manchen Betroffenen wurde eine Überproduktion von verändert zusammengesetzten VLDL-Partikeln nachgewiesen; bei anderen war der Metabolismus der abnorm zusammengesetzten VLDL-Partikel verlangsamt. Häufig finden sich auch kleine dichte LDL, die als besonders atherogen gelten. Die Diagnose wird durch die positive Familienanamnese für eine koronare Herzkrankheit bei nur mäßig erhöhten Cholesterin- und/oder Triglycerid-Konzentrationen wahrscheinlich. Sie kann durch eine Familienuntersuchung abgesichert werden. Die Familienmitglieder haben unterschiedliche Fettstoffwechselstörungen – von mäßiger Hypercholesterinämie über gemischte Hyperlipidämie. In Speziallabors kann man auch die Komposition der VLDL-Partikel messen.
Therapie
Therapeutisch wird zunächst eine fettmodifizierte Diät empfohlen, bei nicht ausreichender Wirkung eine Therapie mit Fibraten oder einem CSE-Hemmer. Die medikamentöse Therapie führt nicht nur zur Absenkung der Konzentrationen von Cholesterin und Triglyceriden, sondern auch zu einer Verbesserung oder sogar Normalisierung der Komposition der Lipoproteinpartikel.
1.7 Eine Hypertriglyceridämie im Rekompensationsstadium als gemischte Hyperlipidämie verkannt
Fallbeschreibung
Ein 35jähriger, leicht übergewichtiger Patient kam in die Praxis. Es lag keine familiäre Vorbelastung für koronare Herzkrankheit vor. Bei einer Routinekontrolle fanden sich folgende Werte:
- Gesamtcholesterin: 206 mg/dl
- HDL-Cholesterin: 35 mg/dl
- LDL-Cholesterin: 102 mg/dl
- Triglyceride: 851 mg/dl
Diagnostik und Befunde
Dem Patient ist Alkoholkarenz zu empfehlen und eine Woche später einzubestellen. Die Laboruntersuchung ergab folgende Werte:
- Gesamtcholesterin: 300 mg/dl
- HDL-Cholesterin: 38 mg/dl
- LDL-Cholesterin: 202 mg/dl
- Triglyceride: 302 mg/dl
Die Lipoprotein-Elektrophorese ergab einen sogenannten Typ II B nach Fredrickson, also eine gemischte Hyperlipidämie.
Fragen
Welche Fettstoffwechselstörung liegt bei diesem Patienten vor?
Antwort
Der hier dargestellte Verlauf der Lipidwerte nach Einleitung therapeutischer Maßnahmen ist für das Vorliegen einer Hypertriglyceridämie typisch. Da der Hauptteil der Triglyceride im Blut in den sogenannten Very-low-density-Lipoproteinen (VLDL) transportiert wird, geht eine Vermehrung der Triglyceride immer auch mit einer Erhöhung der VLDL einher. Aus den VLDL entstehen in der Blutbahn über Lipoproteine intermediärer Dichte (IDL) schließlich die Lipoproteine niedriger Dichte (LDL). Dies bedeutet also, dass es beim vermehrten Abbau von VLDL vorübergehend zu einem Anstieg der Konzentration von LDL im Blut kommt. In der Rekompensationsphase einer Hypertriglyceridämie, wenn es zum gesteigerten Abbau von VLDL kommt, ist daher immer mit einem Anstieg des LDL-Cholesterins zu rechnen.
In der täglichen Praxis sind ein nicht unerheblicher Anteil der sogenannten gemischten Hyperlipidämien Hypertriglyceridämien in der Rekompensationsphase, die natürlich einer anderen Therapie bedürfen als eine gemischte Hyperlipidämie mit Prävalenz des LDL-Cholesterins. Sie sind in der Praxis deswegen nicht selten, da erfahrungsgemäß eine Reihe von Patienten ein bis zwei Tage, bevor sie ihren Arzt aufsuchen, auf ungünstige Lebensmittel, insbesondere auf Alkohol, verzichten. Dann kommt es zum raschen Abfall der Triglyceride und zum Anstieg des LDL-Cholesterins.
Wiederholte Bestimmungen des Lipidstatus, ggf. auch überraschend und postprandial, können für die Diagnose hilfreich sein, aber auch die Untersuchungen anderer Familienmitglieder. Ein grenzwertiges oder erniedrigtes HDL-Cholesterin und/oder mäßig erhöhte Triglyceride oder auch nur grenzwertig hohe Triglyceride sind unter Umständen ein Hinweis auf das Vorliegen einer Hypertriglyceridämie im Rekompensationsstadium.
Der gleiche Anstieg des LDL-Cholesterins kann übrigens nach Initiierung einer Therapie mit Fibraten oder mit Fischölen bei einer bestehenden Hypertriglyceridämie beobachtet werden. Der Anstieg ist jedoch häufig nur passager und passt sich innerhalb weniger Wochen der neuen Situation an.
1.8 Ist eine Therapie mit der LDL-Apherese angezeigt?
Fallbeschreibung
S. L., männlich, 36 Jahre alt, Fettstoffwechselstörungen bei allen untersuchten Familienangehörigen. Unter einer Therapie mit Simvastatin (40 mg/dl) fanden sich beim 36jährigen Patienten immer noch folgende Blutfettwerte:
- Gesamtcholesterin: 365 mg/dl
- LDL-Cholesterin: 110 mg/dl
- HDL-Cholesterin: 32 mg/dl
- Triglyceride: 1117 mg/dl
Diagnostik und Befunde
Eine LDL-Apherese kommt bei dem geschilderten Patienten nicht in Frage. Dies liegt daran, dass die LDL-Cholesterin-Konzentration mit 110 mg/dl im Normbereich liegt. Eine extrakorporale Methode könnte allenfalls zur Entfernung von triglyceridreichen Lipoproteinen in Erwägung gezogen werden. Sie würde aber nur dann einmalig durchgeführt werden, wenn eine akute Komplikation, d.h. eine durch die Hypertriglyceridämie induzierte akute Pankreatitis, aufgetreten ist.
Andererseits muss natürlich auch bedacht werden, dass Nahrungskarenz innerhalb von 24 Stunden die Triglycerid-Konzentration um etwa 50% senken würde und dass ein konsequenter Verzicht auf Alkohol und die deutlich reduzierte Aufnahme rasch resorbierbarer Kohlenhydrate (insbesondere von Cola-Getränken, Limonaden, Fruchtsäften etc.) in den meisten Fällen zu einer Normalisierung der Triglycerid-Konzentrationen im Blut führt.
Therapie
Bei dem vorgestellten Patienten ist eine Therapie mit Simvastatin nicht indiziert, da es sich bei der Fettstoffwechselstörung um eine Hypertriglyceridämie handelt. Man sollte den Patienten noch einmal dringend auf die Einhaltung diätetischer Maßnahmen hinweisen. Wenn man damit keine ausreichende Senkung der Triglyceride (im vorliegenden Fall eindeutig unter 400 mg/dl) erreichen kann, käme der Einsatz von Fibraten, gegebenenfalls kombiniert mit einem Nikotinsäurederivat wie Acipimox, in Frage.
2.1 Wie kann der HDL-Cholesterin-Wert erhöht werden?
Fallbeschreibung
Patient P. K., männlich, 56 Jahre alt, exzessiver Raucher, Vorderwandinfarkt im Alter von 54 Jahren, inoperable Dreigefäßkrankheit.
Der Patient hat folgende Lipidparameter:
- Gesamtcholesterin: 202 mg/dl
- HDL-Cholesterin: 21 mg/dl
- LDL-Cholesterin: 152 mg/dl
- Triglyceride: 142 mg/dl
Fragen
Wie kann der HDL-Cholesterin-Wert erhöht werden?
Diagnostik und Befunde
Bei dieser Konstellation mit manifester KHK wäre natürlich zunächst unbedingt darauf zu dringen, dass der Patient das Rauchen aufgibt. Dies würde auch zu einer Erhöhung des HDL-Cholesterins, u. U. um 20 bis 30%, führen. Darüber hinaus ist das LDL/HDL-Cholesterin-Verhältnis mit 7,03 zu hoch.
Therapie
Da die Maßnahmen, die zur Erhöhung des HDL-Cholesterins führen können, viel schwerer umzusetzen sind als eine konsequente medikamentöse LDL-Cholesterinsenkende Therapie, ist ratsam, das LDL-Cholesterin mit einem hochwirksamen CSE-Hemmer abzusenken. Ziel wäre ein LDL/HDL-Cholesterin-Verhältnis unter 3. Wenn es gelingt, durch andere Maßnahmen das HDL-Cholesterin zu erhöhen, könnte der CSE-Hemmer geringer dosiert bzw. abgesetzt werden. Weitere Möglichkeiten zur Erhöhung des HDL-Cholesterins sind: Gewichtsreduktion, geringer Alkoholkonsum (bis 15 g pro Tag) und körperliche Aktivität (pro 1000 m Dauerlauf pro Woche HDL-Anstieg im Durchschnitt um 1,2 mg/dl).
3.1 Beeinflußt ein fieberhafter Infekt die Cholesterinkonzentration?
Fallbeschreibung
Ich habe bei einem 51jährigen Patienten in den letzten sechs Wochen viermal die Serumlipide gemessen. Bei der ersten Untersuchung fand sich ein LDL-Cholesterin von 180 mg/dl, ein HDL-Cholesterin von 45 mg/dl. Zwei Wochen später, nach einem grippalen Infekt, lag das LDL-Cholesterin bei 120 mg/dl, HDL-Cholesterin unverändert. Weitere zwei Wochen später lag das LDL-Cholesterin bei 150 mg/dl und bei der letzten Kontrolle bei 186 mg/dl.
Fragen
Wie sind diese Unterschiede zu erklären?
Antwort
Hier muss berücksichtigt werden, dass der Patient zwischen der ersten und zweiten Blutabnahme an einem fieberhaften Infekt litt. Jeder fieberhafte Infekt führt sehr rasch zu einem Absinken der Gesamt- und LDL-Cholesterin-Konzentration um bis zu 50 %. Nach Abklingen des Infekts muss zwischen vier und sechs Wochen abgewartet werden, bis die ursprüngliche Konzentration wieder erreicht wird. Viele unterschiedliche Befunde sind mit solchen fieberhaften Erkrankungen erklärbar. Auch wenn unter einer Therapie mit einem lipidsenkenden Medikament plötzlich sehr niedrige Blutfett-Konzentrationen gemessen werden, das Medikament daraufhin reduziert wird und bei der nächsten Messung wieder ein zu hohes LDL-Cholesterin vorliegt, ist nicht unbedingt eine schlechte Führung oder Compliance des Patienten die Ursache, sondern oftmals ein fieberhafter Infekt.
4.1 CSE-Hemmer nach dem Abendessen einnehmen – auch bei Schichtarbeit?
Frage
Ich habe gehört, dass CSE-Hemmer nach dem Abendessen eingenommen werden sollten, da nachts die Aktivität der HMG-Reduktase am höchsten ist und somit der beste Effekt aus das LDL-Cholesterin zu erwarten ist. Wann soll aber ein Patient, der Schichtarbeit leistet, seinen CSE-Hemmer einnehmen?
Antwort
Die HMG-CoA-Reduktase hat tatsächlich nachts die höchste Aktivität. Dies liegt aber nicht daran, dass die Aktivität einer eigenen Rhythmik unterliegt, sondern daran, dass sie tagsüber durch das mit der Nahrung zugeführte Cholesterin gehemmt wird. Wenn Cholesterin aus der Nahrung zur Leberzelle gebracht wird, kann dadurch der Bedarf schon teilweise gedeckt werden. Wenn dann aber nachts die Zufuhr aus der Nahrung wegfällt, steigt die Aktivität der HMG-CoA-Reduktase. Dies bedeutet, dass der Patient, der Schichtdienst leistet, den CSE-Hemmer vor dem Zubettgehen, also vor der längsten zu erwartenden Nahrungskarenz einnehmen und sich nicht an eine bestimmte Tageszeit halten sollte.
5.1 Gefährden CSE-Hemmer den Fötus?
Fallbeschreibung
Eine Patientin, die vor der Verschreibung von Simvastatin angab, Kontrazeption zu betreiben, kam in meine Praxis und berichtete, dass sie in der sechsten Woche schwanger sei. Sie hatte wegen einer heterozygoten familiären Hypercholesterinämie eine Therapie mit 40 mg Simvastatin pro Tag erhalten.
Fragen
- Muss man davon ausgehen, dass der Fötus durch die Therapie Schaden genommen hat?
- Ist ein Schwangerschaftsabbruch notwendig?
Antwort
In der Literatur sind über hundert Fälle von Frauen verfügbar, die ungeplant unter Simvastatin schwanger geworden sind. Es zeigte sich, dass weder beim Kind noch bei der Mutter mit einer erhöhten Komplikationsrate zu rechnen ist. Bei Kinderwunsch sollte die Therapie mit einem CSE-Hemmer abgesetzt werden und vorübergehend eine etwas weniger strenge Therapie z.B. mit Austauscherharzen, durchgeführt werden.
5.2 Einnahme von CSE-Hemmern nach Schwangerschaft bzw. während der Stillzeit?
Fallbeschreibung
Bei einer 25jährigen Frau musste wegen bestehender Schwangerschaft die Behandlung einer familiären Hypercholesterinämie mit einem CSE-Hemmer abgesetzt werden.
Fragen
- Wann kann wieder mit der Einnahme begonnen werden?
- Und sind CSE-Hemmer schon in der Stillzeit wieder angezeigt?
Antwort
Für eine Reihe von CSE-Hemmern wurden in der Muttermilch geringe Konzentrationen nachgewiesen. Daher sollte in der Stillzeit auf die Einnahme von CSE-Hemmern verzichtet werden. Wenn man bei schwerer Ausprägung der familiären Hypercholesterinämie mit Diät und Gallensäureaustauscherharzen keine akzeptable Senkung des LDL-Cholesterins erreicht, sollte auf das Stillen verzichtet werden. Übrigens ist bei Patientinnen mit Hypercholesterinämie die Cholesterinkonzentration in der Muttermilch nicht erhöht.
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