Es diskutieren:

Prof. Dr. med. Oliver Weingärtner, Klinik für Innere Medizin I am Universitätsklinikum Jena und Vorsitzender der DGFL – Lipid-Liga e. V.

Prof. Dr. med. Holger Thiele, Herzzentrum Leipzig und Vorsitzender der DGK

Dr. rer. nat. Sebastian Klüsener, Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) in Wiesbaden

Hier geht’s zum Podcast: https://eacademy.sanofi.de/podcasts/lipids-on-air-podcast-fuer-fachkreisangehoerige/episode/26

Es geht um nicht weniger als einen Paradigmenwechsel in der kardiovaskulären Medizin, denn aktuelle Studien des BiB und weiterer Institutionen der demografischen Forschung zeigen: Trotz der hohen Wirtschaftsleistung, des kostenintensiven fortschrittlichen Gesundheitssystems und gut entwickelter sozialer Sicherungssysteme liegt die Lebenserwartung in Deutschland im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern auf dem letzten Platz und fällt seit Jahren weiter zurück.

Besonders schlecht schneiden wir hierzulande bei den Herz-Kreislauf-Erkrankungen ab. Wir haben eine perfekte „Reparaturwerkstatt“ aufgebaut, aber der Prävention viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt und entsprechend zu wenig investiert. Das müsse sich insbesondere angesichts der demographischen Entwicklung unbedingt ändern, d. h. wir brauchen eine nationale Strategie gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen – da sind sich alle drei Experten einig.

Auch der Bundesgesundheitsminister teile diese Einschätzung und plane ein Gesetz mit Maßnahmen wie ein Screening auf Familiäre Hypercholesterinämie (FH) – voraussichtlich schon bei 5- bis 6-Jährigen im Rahmen der U9-Vorsorgeuntersuchung –, mehr kardiovaskulären Check-ups, Aufklärungsprogrammen gegen Rauchen und eine Überarbeitung der DMP-Programme, um auch Risikopatient*innen schon vor Eintritt eines kardiovaskulären Ereignisses die Teilnahme zu ermöglichen.

Für wichtig erachten die drei Experten außerdem:

  • die Verbesserung der Zusammenarbeit und Vernetzung von ambulantem und klinischem Sektor,
  • die Anpassung der Vergütung für Ärztinnen und Ärzte, sodass sie belohnt werden, wenn sie eine/n kardiovaskulären Risikopatientin/-patienten frühzeitig identifizieren, die Risikofaktoren minimieren und damit die Prävention vorantreiben,
  • die Verbesserung der Datenlage, z. B. durch die Etablierung von Krankheitsregistern wie einem (Herzinfarkt-)Register und die Digitalisierung der Datenerfassung und -sammlung, dafür aber dann auch die nötigen Voraussetzungen zu schaffen, also u. a. die für eine funktionierende Dateneingabe nötigen personellen Ressourcen in medizinischen Einrichtungen zu ermöglichen,
  • die beschleunigte Umsetzung neuer Evidenz in Versorgungsleitlinien, weil das mittlerweile in Deutschland so zögerlich erfolge, dass Leitlinien bei ihrer Publikation schon nicht mehr auf dem neuesten Stand seien,
  • die Intensivierung der Aufklärung der Bevölkerung über Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die Risikofaktoren und ihre Minimierung mit einem besonderen Augenmerk auf fremdsprachige Bevölkerungsgruppen und diejenigen mit niedrigem sozio-ökonomischen Status.